Zum Lernen benötigen wir bestimmte Voraussetzungen, die viel mit unserer inneren Haltung zu tun haben.

Katze erkundet Planze

Mit Neugier

Neugier ist mit der wichtigste Antrieb menschlicher Entwicklung. Sie geht im betriebsamen Alltag, der häufig durch Routinen und Gewohnheiten strukturiert ist, leicht verloren. In der Feldenkrais-Methode hingegen ist es spannend, sich selbst in den eigenen Handlungen und Bewegungen zu entdecken. Denn in der Art, wie Sie sich selbst lenken, gibt es immer mehr als zwei Möglichkeiten. Um das entdecken zu können, wird in Feldenkrais-Stunden ein Raum geschaffen, in dem man sich selbst mit Offenheit für Neues und immer wieder frisch, ohne Druck und Ehrgeiz erkunden kann. 

Stoppschild - Foto von Sibeesh Venu

Grenzen respektieren

Das ist eine fundamental wichtige Einstellung während einer Feldenkrais-Gruppenstunde - und genau genommen auch im täglichen Leben. Eine Grenze kann sich lautstark bemerkbar machen, z.B. in Form von Schmerz. Ebenso kann eine Grenze aber auch leise anmerken, dass sie da ist, wenn wir nicht so weit kommen, wie wir es uns wünschen, wenn die Beweglichkeit nicht ganz so flexibel ist, wie wir es in Erinnerung hatten, wenn ein gewisses Unwohlsein aufkommt oder auch nur die Atmung nicht mehr ganz so selbstverständlich weiter fließt. Mit der Zeit lernen wir immer besser, diese Zeichen zu bemerken und ernst zu nehmen.

Mensch klettert an Steilwand hoch

Den Ehrgeiz wegschicken

Ebenso wie das Überschreiten von Schmerz- oder anderen Grenzen bringt uns der Ehrgeiz dazu, uns zu fordern und damit häufig zu überfordern. Auch hier schaltet das Nervensystem auf Automatikprogramm um, in dem kein Lernen mehr möglich ist. Es ist also notwendig, eine Haltung in sich zu finden, die Fehler erlaubt, die geduldig ist, die sich nicht an dem Streben orientiert, gut oder sogar am besten sein zu wollen. Das kennen wir ja zur Genüge aus den verschiedensten Lebenssituationen. Die gute Nachricht ist: In der Feldenkrais-Arbeit brauchen wir uns darum nicht zu kümmern. Jede/r beschäftigt sich mit sich selbst. Ein Vergleichen mit anderen ist nicht notwendig oder hilfreich.

All you need is less - Foto von Edward Howell

Weniger ist mehr

Klein und leicht statt mit dem Kopf durch die Wand. Eine langsame Bewegung erlaubt die Beobachtung des Wie. Möglichst langsam und ohne Anstrengung. Auf diese Weise beginnen wir zu verstehen, wie sich eine Bewegung zusammensetzt, wo und wie sie beginnt, wo sie anfängt schwierig zu werden und was an dieser Stelle möglicherweise verändert werden kann, um das Schwierige leicht werden zu lassen. Gibt es vielleicht noch irgendwo im Körper eine Anspannung, die nicht nötig ist und losgelassen werden kann? Hat man die Atmung angehalten oder die Lippen aufeinander gepresst? All diese Feinheiten lassen sich nur dann bemerken und analysieren, wenn wir nicht in unserem Gewohnheitsschema feststecken, sondern den "Lernmodus" erlauben: Ohne Erwartung, ohne Kritik, dafür mit Neugier und Spaß daran, etwas Neues auszuprobieren.

Anzeigetafel_Daumen hoch/ok - Foto von Pablo Zuchero

Kein Richtig oder Falsch

Intuitiv wird man für sich selbst entscheiden können, ob eine Bewegung sich gut anfühlt oder eben nicht so gut. Objektiv betrachtet gibt es eine anatomisch sinnvolle Art, eine Bewegung zu machen. Dennoch gibt es keine Beurteilung dessen, was jemand macht. Kein Vergleichen. Und somit auch keinen richtigen Weg oder gar einen falschen. Sie werden eventuell mal eine Anleitung falsch verstehen, ein Verwechseln von links und rechts oder eine andere Interpretation dessen, was gemeint war. All das ist aber niemals falsch im bewertenden Sinne, sondern ein Weg zu einem besseren Verständnis der eigenen Bewegungsabläufe und -kapazitäten. Es gehört zum Lernen dazu, Fehler zu machen. Davon profitiert das Selbstbild, die innere eigene Landkarte. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.

Das Selbstbild stärken

Vater läuft mit Sohn an der Hand Kein Nachmachen - eigene Potentiale entdecken

Moshé Feldenkrais war es wichtig, dass in den Gruppenstunden nur eine verbale Anleitung gegeben wird. Ein Vormachen führt zu Nachmachen, zum Imitieren der anleitenden Person, so wie wir schon unser Leben lang unbewusst das nachgemacht haben, was wir in unserem näheren Umfeld gesehen haben. Der Hirnforscher Gerald Hüther beschreibt dieses Nachahmen als natürlichen Impuls, da wir gern dazugehören möchten: Zu unserer Familie, in der Schule, später zu den Sportgruppen und irgendwann dann zu den Arbeitskolleg*innen... So gewöhnen wir uns oft schon als Kinder störende Gewohnheiten an, da wir sehen, wie Mama oder Papa laufen und dann automatisch anfangen, so ähnlich zu laufen. Allzu oft ist das aber leider schon eine ungünstige Prägung, weil auch die Eltern schon Angewohnheiten von ihren Eltern übernommen haben und niemand sich je bewusst war, dass z.B. eine bestimmte Ausrichtung der Füße zu Problemen mit den Knien und in Folge auch der Hüften führen kann und sogar noch weiter nach oben entlang der Wirbelsäule bis zum Nacken und Kopf.

Ganz unabhängig davon, was man schon an Gewohnheiten mitbringt, soll in einer Feldenkrais-Stunde kein Vergleichen oder Streben nach einem bestimmten vorgefertigen Bewegungsablauf stattfinden. Würde der oder die Lehrer*in selbst die Lektion mitmachen, so würde ein unnötiger Druck entstehen, dadurch dass die Gruppe versuchen würde, diesem vermeintlichen "Idealbild" nahe zu kommen. Dabei ist jede Person strukturell anders und bringt auch andere Voraussetzungen mit. In der Konsequenz soll in den Gruppenstunden eine eigene Interpretation der gehörten Anweisungen stattfinden und auf diese Weise das Selbstbild verbessert werden.